Stets kritisch

Stets kritisch

Samstag, 19. Oktober 2013

Ist teure Wohnraumgestaltung eine Überraschung?



Ist teure Wohnraumgestaltung eine Überraschung? - Von Philipp Heine

Ich möchte Sie zu einem Gedankenexperiment einladen. Ich stelle mir folgende Umstände vor: Ich bin ein Mensch der europäischen Spätantike, der erzkonservativ ist, über unbegrenzten Reichtum verfügt, fromm und homosexuell ist. Leider werden all meine Eigenschaften nicht von der Gesellschaft akzeptiert. Was tue ich? Die Lösung ist einfach: ich gründe eine Sekte.
 
Damit diese religiöse Gemeinschaft es mir ermöglicht, meine Neigungen voll ausleben zu können, muss sie spezifischen Regeln und Ansprüchen genügen:
 
Die Leitung und Durchführung der internen Abläufe ist ausschließlich auf Männer beschränkt, wobei Frauen als  Logistiker integriert werden, um diese nicht gegen die Gemeinschaft aufzubringen. Findet sich jedoch eine Frau, die zu viele Fragen stellt, wird sie kriminalisiert und beseitigt.
 
Alle Mitarbeiter bekommen Kleidung, die sowohl Vertreter der Fraktion anspricht, die auf Frauenkleidung steht, wie auch jener, die Uniformen bevorzugt.
 
Es werden Institutionen gegründet, in denen Knaben die Möglichkeit haben, sich an diese Kleidung zu gewöhnen, mit glockenheller Stimme zu singen, altgriechisch zu lernen und zu verinnerlichen, dass Züchtigung und Fehlverhalten zusammengehören.
 
Um den Geschmack der Mitglieder zu bedienen, würde ich einen eigenen Stil entwickeln, der viel Gold, Fleisch und Bestrafungsformen enthält. Diesen würde ich „unregelmäßige Perle“ nennen (ital. Barocco).
 
In diesem Stil wäre auch die Zentrale der Sekte gehalten. Um diese vor Neugierigen zu schützen, würde ich sie mit einer Mauer umgeben und von Männern in Harlekinkleidung mit langen Spießen bewachen lassen.
 
Die gelebten Neigungen würde ich unter dem Begriff „Heiliger Geist“ zusammenfassen und an die Seite von Vater und Sohn stellen.
 
Als Logo für die neue Sekte bietet sich ein Instrument aus der Sado-Maso-Szene an, da es sowohl Macht wie Gehorsam repräsentiert.
 
Eine perfekte Spielwiese!
 
Ich stelle mir aus aktuellem Anlass eine Frage: Wie wäre es zu beurteilen, wenn im  21. Jahrhundert ein Mitglied der Führungsebene genau dieser Sekte, eine außergewöhnlich große Summe Geld, über die er unkontrolliert verfügen kann, für Wohnraumdesign – etwa eine geräumige Badewanne, oder einen Flaschenzug im Wohnzimmer, mit dem schwere Lasten, etwa ein Adventskranz, an die Decke gezogen werden können -ausgibt?
Ich denke, dass es genauso naiv wäre, sich darüber zu wundern, wenn das Geld für einen privaten Frisiersalon, ein Ballettensemble, Damenschuhe von Zalando oder eine Statuengruppe der Village People (im Mittelalter unter dem Namen der Quatuor Coronati als Heilige verehrt) ausgegeben worden wäre. Die Ausgabe erfüllte lediglich die Grundansprüche der Glaubensgemeinschaft.

Kritik an diesem Verhalten wäre dumm und sinnlos!

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

Philipp Heine