Pädagogisch wertvoll? - Von Philipp Heine
Seit meinen Kindheitstagen sind nun einige Jahre ins Land
gegangen und vieles hat sich geändert. Wenn Sie sich jetzt denken, dass ich
sicherlich die 40 überschritten habe und langsam senile Nostalgie entwickle,
dann haben Sie vermutlich recht. Es ist aber nicht alles schlechter geworden:
Das Fernsehen hat jetzt mehr Programme, auf die sich das stabil gebliebene
Qualitätspotential gleichmäßig verteilt, die alten Nazis sind weggestorben und
haben den neuen Platz gemacht, die aber nicht mehr ihren Namen buchstabieren
können, viele unsinnige Tabus sind verschwunden und das Angebot an
internationaler Küche und Entertainment ist rasant gewachsen.
Betrachte ich die heutigen Kinder, dann fällt mir auf, dass sie sauberer sind, niedlicher und bunter gekleidet sind und keinen Topfschnitt mehr haben. Neulich hat mein zehnjähriger Neffe zu Weihnachten Spielsachen von Playmobil geschenkt bekommen, die er sich gewünscht hatte. Als ich das hörte, war ich erfüllt von einem warmen Gefühl der freudigen Erinnerung und dachte, dass die neue Generation tatsächlich da weitermacht, wo ich einst aufgehört hatte. Doch dann sah ich, was er sich gewünscht hatte: den Bauernhof und den Zoo. Wenige Tage später betrachtete ich in einem Spielzeuggeschäft, welche Alternativen es noch gegeben hätte: Den Rettungshubschrauber, das Krankenhaus, die Schule, den Tierarzt und das Sportboot. Wo sind die Piraten, Ritter, Soldaten und Cowboys geblieben? Wo die Gewehre, Pistolen, Kanonen und Säbel, mit denen ich einst hochspannende Gräueltaten im Dreck des Gartens veranstaltete? Spielen Kinder heute in der sauberen Wohnung, wie man freundlich zu Mensch und Tier ist? Eine Welle von Panik und Mitleid überkam mich und ich beschloss, die kindliche Lebenswelt von heute genauer zu betrachten.
Betrachte ich die heutigen Kinder, dann fällt mir auf, dass sie sauberer sind, niedlicher und bunter gekleidet sind und keinen Topfschnitt mehr haben. Neulich hat mein zehnjähriger Neffe zu Weihnachten Spielsachen von Playmobil geschenkt bekommen, die er sich gewünscht hatte. Als ich das hörte, war ich erfüllt von einem warmen Gefühl der freudigen Erinnerung und dachte, dass die neue Generation tatsächlich da weitermacht, wo ich einst aufgehört hatte. Doch dann sah ich, was er sich gewünscht hatte: den Bauernhof und den Zoo. Wenige Tage später betrachtete ich in einem Spielzeuggeschäft, welche Alternativen es noch gegeben hätte: Den Rettungshubschrauber, das Krankenhaus, die Schule, den Tierarzt und das Sportboot. Wo sind die Piraten, Ritter, Soldaten und Cowboys geblieben? Wo die Gewehre, Pistolen, Kanonen und Säbel, mit denen ich einst hochspannende Gräueltaten im Dreck des Gartens veranstaltete? Spielen Kinder heute in der sauberen Wohnung, wie man freundlich zu Mensch und Tier ist? Eine Welle von Panik und Mitleid überkam mich und ich beschloss, die kindliche Lebenswelt von heute genauer zu betrachten.
In meiner eigenen Kindheit sind zwei weitere Elemente von
besonderer Wichtigkeit gewesen, die auch heute noch allgegenwärtig sind: Die Sesamstraße
und die Drei ???-Hörspiele. Ich muss gestehen, dass ich letztere bis heute höre
und sämtliche Folgen konsumiere. Analysiert man diese, stellt man eine Tendenz
fest: Die Dialoge sind freundlicher und kindgerechter geworden. Die Kinder sind
deutlich weniger Gewalt ausgesetzt und bekommen eine Sprache serviert, die von
schweren Fremdwörtern und komplexen Begriffen gereinigt ist. Sollte doch einmal
ein potentiell unbekanntes Wort auftauchen, wird es sogleich erklärt. Wo in der
alten Zeit Henning und Lilo anzügliche und satirische Bemerkungen in den
Zwiegesprächen versteckten, da wird heute von harmlosen und kantenfreien
Jungpädagoginnen Harmonie und heile Welt verbreitet. Gleiches gilt auch für
Kinderbücher. Die fünf Freunde jagen keine Gangster mehr. Stattdessen hoppeln
freundliche Meerschweinchen, Hasen und Pferdchen durch die Welt und arbeiten an
ihrer Empathie. Tom und Jerry würden heute nicht mehr gedreht.
Zusammengefasst kann man sagen, dass den Kindern weniger
zugemutet wird. Gewalt wird tabuisiert, wo auf das Prädikat „pädagogisch
wertvoll“ achtgegeben wird. Es wird auch mit Argusaugen betrachtet, ob Kinder
von Sprache und Inhalt überfordert werden könnten. Es wäre grausam, ein Kind zu
zwingen, ein Lexikon aufsuchen zu müssen. Auch beim Spiel wird aufgepasst, dass
Schmutz, Bakterien und gefährliche Abgründe vermieden werden.
Doch bei einem Großteil der Kinder kommt einmal der Tag, wo
die Hormone die Pubertät einzuläuten beginnen. Ihr Naturell flüstert den Jungs
ins Ohr, dass jetzt Konkurrenzkampf unter Männern Thema wird. Doch niemand hat
sie auf Konflikte und Selbständigkeit vorbereitet. Entsprechend greifen sie auf
den Schmutz zurück, den Mama und Papa aus gutem Grund nicht mögen.
World-of-Warcraft und japanische Kinder-Mangas übernehmen die Fantasie. Die
Darbietung und Gestaltung unfassbarer Grausamkeit ergreift Besitz von den
braven Blumenkindern. Diese Erfahrung machen die Kinder jedoch nicht
gemeinschaftlich in Matschpfützen, sondern einsam und allein am Computer, der
Leid und Konflikt auf eine virtuelle Ebene verbannt. Meist sind von dieser
Bedrohung die Jungen betroffen, die oft bis zum Ende der Grundschule kaum mit
Männern in Kontakt kommen, an denen sie sich orientieren könnten und die den
subjektiven Idealvorstellungen von Lehrerinnen deutlich schwerer entsprechen,
als niedliche und angepasste Mädchen. Mädchen passen hingegen hervorragend in
das Schema des „pädagogisch Wertvollen“ und können auch dann, wenn sie nicht
besonders klug sind, erfolgreich zum Schulabschluss gelangen, solange sie
fleißig und nett sind. Gern werden sie später Erzieherinnen, Lehrerinnen oder
Tierpflegerinnen und tragen das Erbe weiter. Nur für leitende Positionen in der freien Wirtschaft fühlen sie sich
meist nicht geeignet und sind es vermutlich auch nur bedingt. Für solche Posten
braucht es die Fähigkeit und den Willen, sich in Konflikten durchsetzen zu
können. An der Mentalität der neueren Generation von Managern und
Führungskräften wird deutlich, dass sie ihre sozialen Kompetenzen bereits im
Umgang mit Ego-Shootern gelernt haben.
Ich wünsche Ihren Kindern, dass sie eine
Knallplätzchenpistole zum Geburtstag bekommen und regelmäßig komplett verdreckt
heimkommen.
Philipp Heine
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