Stets kritisch

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Dienstag, 28. Januar 2014

Von Funktionär und Selbstverpflichtung



Von Funktionär und Selbstverpflichtung - Von Philipp Heine

In der westlichen Welt der Demokratie und Marktwirtschaft haben sich die Menschen an Frieden und relative Freiheit gewöhnt. Auch wenn diese Errungenschaften erst seit recht kurzer Zeit etabliert sind, blickt man auf andere Kulturkreise mit einem süffisanten Lächeln herab, als seien deren Bewohner Höhlenmenschen oder mindestens mittelalterliche Hexenverbrenner. Der Vatikan ist Sinnbild des Archaischen. Absolutistische Fossilien, die hinter hohen Mauern Weltverschwörungen anzetteln. Ein einsames Relikt aus alter Zeit, jedenfalls bis demnächst die Renaissance des russischen Zarenreichs offiziell anerkannt wird. Doch das kritische Auge des westlichen Gutmenschen, egal welcher politischen Färbung, hat einen blinden Fleck: Den Profisport. 

Dieses finstere Imperium bringt in aller Öffentlichkeit das Schlimmste im Menschen an die Oberfläche, ohne Scham und mit geringer Kritik. Hinter jedem strahlenden Helden der Nation, ob auf Stollen, Skiern, vier oder zwei Rädern, steht ein Verband von Funktionären und Heerscharen von Menschen, die sich im Ruhme anderer sonnen, oder auch nur andere Menschen mit anderen Farben krankenhausreif prügeln wollen. Ich denke, dass man über Fans nicht mehr viele Worte verlieren muss, außer, dass sie ein System am Leben erhalten, das ein Pfahl im Fleische des modernen Rechtsstaates ist. In einigen Ländern, die kurioser Weise oft zu den Steuerparadiesen dieser Welt zählen, gibt es große Gebäude, aus edlen Materialien erbaut und in idyllischer Lage. Vor diesen Gebäuden steht ein erstaunlich großer Prozentsatz sämtlicher existierender Autos der höchsten Luxusklasse. Diese Häuser sind die Sitze von Weltverbänden. Fußball, Radsport, Formel 1, Olympische Spiele, Variationen eines Themas. In jedem dieser Hauptquartiere gibt es eine Art Thronsaal, in dem stets ein alter Mann residiert. Hier werden Milliarden bewegt, Politik von der lokalen bis zur globalen Ebene beeinflusst und unschuldige Mägdelein ihrer Bestimmung zugeführt. Niemand wird genötigt, irgendetwas zu begründen oder transparent zu machen. Oasen des wirtschaftlichen Hedonismus. Wie schon zu Schulzeiten geht es ja nur um Sport, also ein Nebenfach. Der Sport gehört aber zu den wenigen Begebenheiten im Leben, die eindeutige Sieger und Verlierer kennen. Hier gibt es Klarheit, Ruhm, Ehre und Drama. Der Ausgleich und das Alibi für eine langweilige und überregulierte Welt. 

Kaum ein Politiker würde sich an so etwas vergreifen, zumal erfolgreiche Politiker den Geschmack der Droge Macht auf der Zunge kennen. Für jeden Volksvertreter ist klar, dass am Sport und seiner Rezeption die Stimmung der Nationen hängt. Nichts wirkt sympathischer, als den Jungs in der Mannschaftsumkleidekabine zum Sieg zu gratulieren, besonders wenn man selbst Ausrichter der großen Spiele ist. 

Der Hauptgewinn unter allen Sportveranstaltungen sind die Olympischen Spiele. Neben Gladiatorenkämpfen waren sie bereits in der Antike probates Mittel, unzufriedene Untertanen in fahnenschwingende Freudenchorsänger zu verwandeln. Je despotischer und schlechter das Regime, desto spektakulärer die Spiele. Der griechische Geist der Spiele hat sich seither nur partiell gewandelt: Die Athleten sind heute bekleidet und dürfen sich nicht mehr gegenseitig verletzen (Gymnastik heißt wörtlich übersetzt „nackt etwas tun“. Beim Pankration versuchte man boxend und ringend, sich gegenseitig die Extremitäten zu brechen und sonstigen Schaden anzurichten). Doping und Bestechung sind jedoch als tief verwurzelte griechische Tradition geblieben. Das altgriechischste Element der Spiele, die Entzündung des Olympischen Feuers mit nachfolgendem Fackellauf, wurde übrigens 1938 von Hitlers Propaganda-Abteilung erfunden und später dankbar beibehalten. 

 Auch die Affinität von undemokratischen Potentaten zu großen Spielen ist geblieben: Während ich dies schreibe, arbeiten tausende von Sklaven und Leibeigenen an den neuen Prachtbauten, die schon bald Kulisse des großen Spektakels sein sollen. Wo sich gestern noch geschützte Arten tummelten, müssen sich morgen bereits Sportler aller Nationen vorsehen, dass sie keine Regenbogenfarben tragen oder sich zu Fragen der sexuellen Vorliebe äußern, da sie sonst wegen Rowdytums in ein sibirisches Fortbildungsresort geschickt werden. Mit anderen Worten, man will der Welt zeigen, wie weltoffen und modern man ist. Auch bei früheren Spielen hat das nur bedingt funktioniert.
 
Fragt man sich nun, was das Olympische Komitee zu seiner Vergabe bewogen hat, so müsste man auch hier ein Rowdy sein, wenn man denkt, dass Gelder  geflossen sein könnten.
 
Ist der westliche Wutbürger nun empört und ruft die Politik um Stellungnahme an, dann empfehle ich auf eine Formulierung zu achten, die bereits im Zusammenhang mit Bankenkontrolle ein verlässlicher Indikator für kreative Lobbyarbeit war: Die Aufforderung an die Übeltäter, dass diese sich gefälligst zur Selbstkontrolle verpflichten, da sonst eine gesetzliche Regelung unausweichlich sei. Maßnahmen, die so sinnvoll sind, wie einen Labrador zu verpflichten, eine Schinkenkeule zu bewachen.
Die Athleten können einem leid tun: Jahrelang spritzen sie sich Kängurublut, vernachlässigen ihre Allgemeinbildung und verzichten für das Training auf jegliche sinnvolle Tätigkeit, nur um dann, am wichtigsten Tag ihres Lebens, instrumentalisiert zu werden. Na ja, die Welt ist eben nicht perfekt.
 
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Verfolgen der großen Spiele. Schauen sie doch auch mal bei Hundekämpfen rein, die sind auch nicht besser.

Philipp Heine

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