Stets kritisch

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Mittwoch, 5. März 2014

Auch das jüngste Gericht ist gealtert



Auch das jüngste Gericht ist gealtert - Von Philipp Heine

Was haben Hollywood und die Vergabe von Drittmitteln in der Forschung gemeinsam? Nun, beide werden danach bewertet, inwiefern aktuelle Probleme bearbeitet werden, von denen möglichst viele Menschen hautnah und dramatisch betroffen sind. Anders ausgedrückt: Je größer und emotionaler die öffentliche Wahrnehmung und der damit verbundene Absatz, desto besser. Erstaunlicherweise führt diese Tatsache sowohl in der Traumfabrik als auch in Forschungseinrichtungen zu exakt gleichen Ergebnissen. Ergebnisse, die uns vergegenwärtigen, dass in alten Zeiten  beide scheinbar so unterschiedlichen Branchen noch vereinigt waren. In der Antike nannte man die gefeierten Protagonisten dieses Ur-Gewerbes Propheten. Und nach wie vor handeln die höchstdotierten Produkte vom gleichen Thema: Dem Weltuntergang.
 
Nichts spornt die menschliche Fantasie und Kreativität mehr an als Massenvernichtung. Das einzige Szenario des Weltenbrandes, das dem Publikum nicht geläufig ist, besteht darin, dass die Bewegung des Universums an Fahrt verliert und schließlich stehenbleibt. Dieser Tod durch Langeweile dürfte in Sachen Verkaufszahlen nicht sonderlich vielversprechend sein. Alle anderen möglichen Varianten haben wir gesehen: Dinosaurier, Supervulkane, Atomkrieg, Ozonloch, Kometen, Supernovae, schwarze Löcher, Viren, Kippen der Erdachse, Dieter Bohlen und aktuell den Klimawandel. 
 
An letzterem lässt sich besonders gut veranschaulichen, wie glaubwürdig die Vorhersagen jener weisen Männer sind, die früher mit zerzaustem Haar und irrem Blick auf Marktplätzen predigten und heute mit Brille und Krawatte in Hörsälen und Talkshows anzutreffen sind. Der Autor der sogenannten „Offenbarung des Johannes“ war sicher nicht der erste, aber zweifellos der wirkungsvollste Apokalyptiker der Geschichte. Generationen von Gläubigen versuchten immer wieder, den Zeitpunkt des Untergangs nach seinen Vorgaben zu berechnen und sahen sich stets am ermittelten Zeitpunkt genötigt, ein Korrekturangebot zu machen. Lagen dem Europäer keine eigenen Hinweise auf den sicheren baldigen Tod vor, griff man auch gern zu fremden Quellen, wie dem Mayakalender und interpretierte diesen derart (fehl), dass er ins Konzept passte. 
 
Mancher mag sich noch an die kalten Winter der 60er und 70er Jahre erinnern. In diesen Tagen verkündeten die Meteorologen mit dem Brustton der todesnahen Überzeugung, dass zweifellos eine neue Eiszeit über die Menschheit hereinbrechen werde. Heute ist das Gegenteil der Fall und wir alle sind schuld. Durch unsere Sünden an Gottes Schöpfung führen wir eine globale Erwärmung herbei, die uns zweifellos mit Feuer und Wasser vom Angesicht der Erde tilgen wird. Es besteht eine entfernte Möglichkeit, dass wir durch Tugendhaftigkeit und Umkehr die Strafe des Herrn abmildern könnten. Die wahrscheinlichere Möglichkeit aber, diesem Schicksal zu entgehen, besteht darin, dass uns vor den Folgen der Hitze eine andere Katastrophe, wie Atomtod oder Kometeneinschlag, vernichtet. Wer an diese Menetekel glaubt, wie all die Jünger des missionarischen Ökoismus, hat der Logik zufolge keine Argumente mehr gegen das Rauchen oder für vegane Ernährung. Wir sind als Mitglieder der letzten Generation dem Tod in einem Tsunami oder einer pyroklastischen Wolke geweiht. So, wie alle anderen letzten Generationen vor uns auch. Logik ist es aber nicht, was rechtschaffene Gläubige antreibt. Es ist die Berufung, als Märtyrer am Strand von Palma de Mallorca in einer Flutwelle zu ertrinken.
 
Zugegeben: Der Klimawandel existiert. Da das Klima aber seit Beginn der Welt im Wandel befindlich ist, ist das nicht wirklich eine Überraschung. Wahrscheinlich wirken Gase, die vom Menschen produziert werden auch als beschleunigender Katalysator. Das bedeutet jedoch nicht automatisch die globale Katastrophe. Analysiert man archäologische Befunde und antike Quellen, so wird man feststellen, dass warme Perioden fast immer mit Hochphasen der Kultur einhergingen, da durch die Hitze mehr atmosphärische Feuchtigkeit vorhanden und damit die Grundlage für mehr fruchtbare Gebiete gegeben war, als in Kältephasen, in denen die Feuchtigkeit in den Meeren und Eisschilden gebunden ist. Wir werden uns einfach darauf einrichten müssen, dass wir nun von anderen klimatischen Gefahren bedroht werden, als früher. Unsere Überlebenschancen ändern sich dadurch aber nicht notwendigerweise.
 
Immer wieder sickert durch, dass in Medien und Wissenschaft eine regelrechte Zensur stattfindet, die etwa Forschung behindert, die sich mit dem bisher deutlich unterschätzten Einfluss der Sonnenaktivitäten auf das Klima der Erde beschäftigt, oder Ausmaß und menschliche Urheberschaft der nahenden Vernichtung relativiert.
 
Es scheint also, dass auch der Mensch unserer Tage süchtig nach dem Gefühl ist, der letzten, mächtigsten, perfektesten und zugleich düstersten Generation anzugehören. Das triste Dasein als Beamter im mittleren Dienst hat somit Teil an heiligem und heroischem Glanz. Hier sind die letzten Tage, die für stille Meditation am Rande des Abgrunds genutzt werden, bevor der letzte einsame Gang durch das läuternde Feuer ins ewige Licht angetreten wird. Dieser Abgang ist deutlich verheißungsvoller als ein Schlaganfall auf der Toilette.
 
Ich wünsche Ihnen, dass Sie stets Zuversicht und Sonnencreme mit sich tragen.

Philipp Heine

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