Stets kritisch

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Montag, 17. März 2014

Frischgebackene Eltern - Hormonbedingte Geschäftsunfähigkeit

Frischgebackene Eltern - Hormonbedingte Geschäftsunfähigkeit
- von Captain Slow



Da ich demnächst Vater werde – zum ersten Mal – und Freunde und Bekannte habe, die bereits vom Storch Besuch hatten, bekomme ich stets und ständig nett gemeinte Ratschläge. In der Regel ungebeten.

Hier offenbart sich ein Phänomen: Frischgebackene Eltern wissen immer alles ganz genau. Soweit es den meist als hochbegabt empfundenen Nachwuchs betrifft. Ansonsten gern mal nicht so wirklich. Französische Revolution? Schwanensee stammt aus wessen Feder? Wirtschaftstheorien? Sogar: Die Kanzler der Bundesrepublik? Meist Fehlanzeige. Aber wie man einen Germanenwelpen großzieht, das wissen alle ganz genau. Und wehe, man sieht es anders als sie!

Es geht bei vermeintlich banalen Dingen wie Kinderwagen los. Für mich – naturwissenschaftlich analysiert – eine Wanne mit vier Rädern. Aber weit gefehlt, wie mich ein junger Vater aus unserem Freundeskreis belehrt hat. „Mit der Wahl des Kinderwagens gibst Du ein Statement ab!“ Aha. Er ist übrigens von der Emmaljunga-Fraktion. Ein schwedisches Modell. Sehr gut verarbeitet, etwas klobig. Kostenpunkt um und bei 1.000 €. Wer hip ist, greift aber zum Bugaboo. Etwas filigraner und eleganter. Eher die sportliche Variante. Kostenpunkt dito. Meine Frau erwartete von mir, dass ich mich dazu äußere. Mein Statement gewissermaßen. Zunächst Rauschen im Kopf. Aber ein anderer Freund half mir mit einem Vergleich, der auch einem Y-Chromosom zugänglich ist: Emmaljunga ist wie Volvo, Bugaboo wie Porsche. Vielen Dank, so kapiere ich das. Die Wahl war einfach. Mein Sohn kriegt Porsche. Was für ein Irrsinn!

Meist sind es ja aber die Frauen, die mit Blick auf den drohenden Nachwuchs irre werden. Hormone an, Hirn aus. Plötzlich wird wie wild eingekauft, ohne Rücksicht auf Preis und Sinn. Wenn man nicht die genau richtige Babyschale für's Auto hat, ist das Kind sofort tot. Kann man nix machen. Also ist die Auswahl eine Entscheidung über Leben und Tod. Ich weiß das übrigens von Freunden. Meine Frau ist zum Glück noch nicht irre geworden. Sie sagt, sie shopt immer noch lieber für sich selbst. Sie ist von der Louis-Vuitton-Fraktion. Wer hätte gedacht, dass ich den Quatsch mal gut finde? Lebe und lerne. Als ich klein war, gab es noch keine Babyschalen oder Kindersitze. Und ich lebe. Preiset den Herrn!

Ein Freund erzählte mir nach ständigen Besuchen in unterschiedlichen Babymärkten, dass er das Prinzip kapiert hat: Nimm irgendein Produkt. Sagen wir einen Klappstuhl. Im Baumarkt kostet der 20 €. Wenn der in einem Angelladen als Angelstuhl angeboten wird, kostet er 80 € (der Mann ist leidenschaftlicher Angler). Stell den Klappstuhl in einen Babymarkt und behaupte, er sei kindgerecht. 280 €. Kein Problem. Sitzt das Kind in was anderem: Plötzlicher Kindstod. Sofort. Gnadengesuch schon berücksichtigt. Wird also gekauft. Verdammt, ich bin in der falschen Branche. Man sollte Geschäfte eigentlich nur mit hormonbedingt Geschäftsunfähigen machen!

Kinderwagen und Babyschalen waren das Vorgeplänkel. Jetzt gehe ich ans Eingemachte! Kinderbetreuung. Bei uns eine einfache Sache. Meine Frau hat einen tollen Job und liebt ihre Arbeit. Also will sie die Position nicht verlieren und auch möglichst schnell dahin zurück. Total klar. Ich habe das immer als selbstverständlich akzeptiert. Das bedeutet: Ganztagsbetreuung nach 6 Monaten. Um Gottes Willen. Rabeneltern! Von den Damen, die ernsthaft alles an den Nagel hängen, weil der Windelpupser das Licht der Welt erblickt hat, rede ich nicht. Das ist nicht meine Welt, ich vermute aber, dass sowieso alles spannender ist, als 38 Stunden Gleitzeit im Öffentlichen Dienst. Das Kind als Flucht. Ist okay für mich. Reden wir aber über Leute mit Aufgaben.

Im Freundeskreis haben wir Eltern, die beide in richtigen Jobs berufstätig sind und dennoch erstens ein permanent schlechtes Gewissen zu haben scheinen und daher zweitens dauernd die Wahrheit für sich gepachtet haben. „Unsere Betreuung endet schon 14:30 Uhr. Ist schwierig, einer von uns muss abwechselnd früher gehen. Gibt etwas Ärger mit dem Chef. Hilft ja nichts. Aber länger geht natürlich nicht. Wenn man das Kind nur abschiebt, sollte man es von vornherein lassen.“ Oder: „Montag und Freitag Nachmittags ist Papa-Tag! Ja, mein Unternehmen leidet darunter, weil ich meine Arbeit so natürlich nicht schaffe. Aber er braucht das. Sonst geht es ihm nicht gut.“

Man könnte darüber diskutieren. Sollte man aber lieber lassen. Frischgebackene Eltern sind für Argumente anderer nicht zugänglich. Sie haben einfach Recht. Wer das anders sieht oder gar macht, kommt nicht mal mehr ins Fegefeuer. Direkt runter zu Beelzebub. 1.000 Jahre in siedendem Öl. Man tut sich und denen einen Gefallen, wenn man das akzeptiert.

Die folgenden Zeilen richten sich daher an Menschen, die noch keine Welpen in die Welt gesetzt haben.

Meine Eltern haben permanent gearbeitet und ich hatte deshalb ein Kindermädchen. Ich denke nicht, dass mir das geschadet hat. Es gibt Menschen, die meinen, dass ich einen erheblichen Schaden habe. Ich führe den aber auf andere Umstände zurück. Ich bin zudem nicht repräsentativ.

In Frankreich ist Ganztagsbetreuung von Kleinkindern völlig normal. Was kann also schlimmstenfalls passieren? Mein Sohn wird ein beschissener Autofahrer, hat eine 6 in Englisch und krakeelt ständig auf der Straße. Dafür kann er super kochen und kriegt ordentlich Ladies in die Kiste. Ich mag ihn schon jetzt!

Captain Slow




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