Frischgebackene Eltern - Hormonbedingte
Geschäftsunfähigkeit
- von Captain Slow
Da ich demnächst Vater werde – zum
ersten Mal – und Freunde und Bekannte habe, die bereits vom Storch
Besuch hatten, bekomme ich stets und ständig nett gemeinte
Ratschläge. In der Regel ungebeten.
Hier offenbart sich ein Phänomen:
Frischgebackene Eltern wissen immer alles ganz genau. Soweit es den
meist als hochbegabt empfundenen Nachwuchs betrifft. Ansonsten gern
mal nicht so wirklich. Französische Revolution? Schwanensee stammt
aus wessen Feder? Wirtschaftstheorien? Sogar: Die Kanzler der
Bundesrepublik? Meist Fehlanzeige. Aber wie man einen Germanenwelpen
großzieht, das wissen alle ganz genau. Und wehe, man sieht es anders
als sie!
Es geht bei vermeintlich banalen Dingen
wie Kinderwagen los. Für mich – naturwissenschaftlich analysiert –
eine Wanne mit vier Rädern. Aber weit gefehlt, wie mich ein junger
Vater aus unserem Freundeskreis belehrt hat. „Mit der Wahl des
Kinderwagens gibst Du ein Statement ab!“ Aha. Er ist übrigens von
der Emmaljunga-Fraktion. Ein schwedisches Modell. Sehr gut
verarbeitet, etwas klobig. Kostenpunkt um und bei 1.000 €. Wer hip
ist, greift aber zum Bugaboo. Etwas filigraner und eleganter. Eher
die sportliche Variante. Kostenpunkt dito. Meine Frau erwartete von
mir, dass ich mich dazu äußere. Mein Statement gewissermaßen.
Zunächst Rauschen im Kopf. Aber ein anderer Freund half mir mit
einem Vergleich, der auch einem Y-Chromosom zugänglich ist:
Emmaljunga ist wie Volvo, Bugaboo wie Porsche. Vielen Dank, so
kapiere ich das. Die Wahl war einfach. Mein Sohn kriegt Porsche. Was
für ein Irrsinn!
Meist sind es ja aber die Frauen, die
mit Blick auf den drohenden Nachwuchs irre werden. Hormone an, Hirn
aus. Plötzlich wird wie wild eingekauft, ohne Rücksicht auf Preis
und Sinn. Wenn man nicht die genau richtige Babyschale für's Auto
hat, ist das Kind sofort tot. Kann man nix machen. Also ist die
Auswahl eine Entscheidung über Leben und Tod. Ich weiß das
übrigens von Freunden. Meine Frau ist zum Glück noch nicht irre
geworden. Sie sagt, sie shopt immer noch lieber für sich selbst. Sie
ist von der Louis-Vuitton-Fraktion. Wer hätte gedacht, dass ich den
Quatsch mal gut finde? Lebe und lerne. Als ich klein war, gab es noch
keine Babyschalen oder Kindersitze. Und ich lebe. Preiset den Herrn!
Ein Freund erzählte mir nach ständigen
Besuchen in unterschiedlichen Babymärkten, dass er das Prinzip
kapiert hat: Nimm irgendein Produkt. Sagen wir einen Klappstuhl. Im
Baumarkt kostet der 20 €. Wenn der in einem Angelladen als
Angelstuhl angeboten wird, kostet er 80 € (der Mann ist
leidenschaftlicher Angler). Stell den Klappstuhl in einen Babymarkt
und behaupte, er sei kindgerecht. 280 €. Kein Problem. Sitzt das
Kind in was anderem: Plötzlicher Kindstod. Sofort. Gnadengesuch
schon berücksichtigt. Wird also gekauft. Verdammt, ich bin in der
falschen Branche. Man sollte Geschäfte eigentlich nur mit
hormonbedingt Geschäftsunfähigen machen!
Kinderwagen und Babyschalen waren das
Vorgeplänkel. Jetzt gehe ich ans Eingemachte! Kinderbetreuung. Bei
uns eine einfache Sache. Meine Frau hat einen tollen Job und liebt
ihre Arbeit. Also will sie die Position nicht verlieren und auch
möglichst schnell dahin zurück. Total klar. Ich habe das immer als
selbstverständlich akzeptiert. Das bedeutet: Ganztagsbetreuung nach
6 Monaten. Um Gottes Willen. Rabeneltern! Von den Damen, die
ernsthaft alles an den Nagel hängen, weil der Windelpupser das Licht
der Welt erblickt hat, rede ich nicht. Das ist nicht meine Welt, ich
vermute aber, dass sowieso alles spannender ist, als 38 Stunden
Gleitzeit im Öffentlichen Dienst. Das Kind als Flucht. Ist okay für
mich. Reden wir aber über Leute mit Aufgaben.
Im Freundeskreis haben wir Eltern, die
beide in richtigen Jobs berufstätig sind und dennoch erstens ein
permanent schlechtes Gewissen zu haben scheinen und daher zweitens
dauernd die Wahrheit für sich gepachtet haben. „Unsere Betreuung endet schon
14:30 Uhr. Ist schwierig, einer von uns muss abwechselnd früher
gehen. Gibt etwas Ärger mit dem Chef. Hilft ja nichts. Aber länger
geht natürlich nicht. Wenn man das Kind nur abschiebt, sollte man es
von vornherein lassen.“ Oder: „Montag und Freitag Nachmittags ist
Papa-Tag! Ja, mein Unternehmen leidet darunter, weil ich meine Arbeit
so natürlich nicht schaffe. Aber er braucht das. Sonst geht es ihm
nicht gut.“
Man könnte darüber diskutieren.
Sollte man aber lieber lassen. Frischgebackene Eltern sind für
Argumente anderer nicht zugänglich. Sie haben einfach Recht. Wer das
anders sieht oder gar macht, kommt nicht mal mehr ins Fegefeuer.
Direkt runter zu Beelzebub. 1.000 Jahre in siedendem Öl. Man tut
sich und denen einen Gefallen, wenn man das akzeptiert.
Die folgenden Zeilen richten sich daher
an Menschen, die noch keine Welpen in die Welt gesetzt haben.
Meine Eltern haben permanent gearbeitet
und ich hatte deshalb ein Kindermädchen. Ich denke nicht, dass mir
das geschadet hat. Es gibt Menschen, die meinen, dass ich einen
erheblichen Schaden habe. Ich führe den aber auf andere Umstände
zurück. Ich bin zudem nicht repräsentativ.
In Frankreich ist Ganztagsbetreuung von
Kleinkindern völlig normal. Was kann also schlimmstenfalls
passieren? Mein Sohn wird ein beschissener Autofahrer, hat eine 6 in
Englisch und krakeelt ständig auf der Straße. Dafür kann er super
kochen und kriegt ordentlich Ladies in die Kiste. Ich mag ihn schon
jetzt!
Captain Slow
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