Krimskrams - Von Philipp Heine
Stellt man sich einen Vertreter vergangener Epochen vor, so
entsteht meist ein zwiespältiges Bild: Auf der einen Seite rührt sich der
romantische Aspekt, der das unverdorbene, kraftvolle und naturnahe Menschsein
und das Leben in Zeiten, in denen noch Geheimnisse und unbekannte Wildnis
existierten, bewundert. Auf der anderen Seite ist der Blick des
zivilisationsgeprägten Mitteleuropäers mitleidig nach unten gerichtet. Einst
war man noch nicht reif genug, Frieden, Demokratie, Aufklärung, Toleranz und
Gleichberechtigung zur Normalität zu machen. Zum Preis des Mystischen haben wir
den Gipfel der Humanität erklommen. Für viele Beobachter war der zentrale und
komplettierende Zeitpunkt der Fall des eisernen Vorhangs und das Ende des
kalten Krieges. Mit der Revolution in den Ländern des Nahen Ostens erschienen
neue zarte Blüten der Hoffnung. Doch in der letzten Zeit lernen wir, dass der
Mensch noch weit davon entfernt ist, den Zustand der Perfektion zu erreichen.
Jenseits der Berge scheint eine dunkle Macht, die man
bereits für vergangen hielt, neu zu erwachen. Schritt für Schritt, fast
unbemerkt, breitet sich erneut ein Schatten über der Welt aus. Finsterlinge und
Despoten scharen sich zusammen und warten auf den Ruf ihres Herrn. Leider ist
es diesmal nicht damit getan, einen Ring in einen Vulkan zu werfen, um der Situation Herr zu werden. Der dunkle
Lord, nennen wir ihn Wladolf Putler, kennt die Schwäche seiner Gegner genau:
Sie sind an die öffentliche Meinung und die Rechtstaatlichkeit gebunden und haben
sich öffentlich zu Toleranz und Frieden bekannt. Lachend sitzt er in seiner
Burg und kann Schritt für Schritt provozieren, ohne eine schnelle und
entschlossene Reaktion fürchten zu müssen. Jahrelang hat er seine
opportunistischen Vasallen, darunter eitle Machtmenschen aus Hannover, benutzt,
um die Welt abhängig von seinen Gütern und Handelsnetzen zu machen. Aus Gier
sah man geflissentlich über zunehmende Verstöße gegen die humanistischen Ideale
hinweg. Unterdrückung von Minderheiten und Opposition, Sklavenarbeit und
Protektion von Diktatoren war nicht so wichtig, wie günstige Rohstoffe und
Absatzmärkte. Nun werden Tatsachen geschaffen, die nicht umkehrbar sind, ohne
alles zu riskieren, was man als Fundament einer aufgeklärten Welt betrachtet.
Die Chance auf Frieden darf nicht aufgegeben werden, doch
wie groß können Zugeständnisse sein? Der große Führer verfügt über ein
Weltreich von Menschen, die zu großem Anteil über nur geringe Bildung verfügen,
ein massives Alkoholproblem haben und ihre Vorstellungen von Ethik nur in einer
totalitären Gesellschaft erlernt haben. Sein Reich ist angefüllt mit furchtbaren
Waffen und Soldaten, die darauf brennen, verstreute Volksgenossen heim ins Reich
zu holen. Noch liegt der Fokus der Expansion nur dicht hinter seiner eigenen
Grenze, doch wer könnte noch zu jenen gehören, die eigentlich ins Reich
gehören, wenn die ersten Schritte erfolgreich waren?
Einst war der hohe Herr ein kleiner Spitzel und Scherge,
der für ein vergangenes Reich seinen Dienst versah. Einige Jahre verbrachte er auch
in Dresden. Somit könnten die neuen Bundesländer, die ja lange Jahre quasi eine
besetzte Kolonie waren, durchaus als abtrünniges Territorium betrachtet werden,
dessen letzte Wiedervereinigung ja nur bedingt erfolgreich war. Wollen wir also
unsere Brüder und Schwestern im Osten dem Frieden opfern und sie dem finsteren
Fürsten als besänftigendes Geschenk darbringen? Bevor nun der Eine oder der Andere
laut zustimmt und Bayern gleich mit ins Paket packen möchte, möchte ich daran
erinnern, dass wir uns doch inzwischen recht gut an einander gewöhnt haben und
zusammengewachsen sind, sogar mit den Bayern. Entsprechend denke ich, dass konsequente
Sanktionen und eine außenwirtschaftliche Neuorientierung das bessere Mittel der
Wahl sind.
Ich fürchte, dass es nicht in der Macht der demokratischen
Länder steht, die eroberten Gebiete friedlich zurück zu gewinnen, zumal der
Groll der anderen Partei nicht zu einem dauerhaften Damoklesschwert werden
darf. Es muss aber ein Preis verlangt und eine Grenze gezogen werden, deren
Überschreitung nicht friedlich hingenommen werden kann.
Wichtig ist aber, dass keine neue unüberwindliche Mauer entsteht,
sondern dass ein friedlicher Austausch und vorsichtige Kooperationen am Leben
erhalten werden.
Ich wünsche uns allen einen kleinen Mann mit haarigen Füßen,
der mit unerschütterlicher Freundlichkeit und Mut dafür sorgt, dass am Ende ein
großes Fest unter dem großen Baum stattfinden kann.
Philipp Heine
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