Stets kritisch

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Sonntag, 27. April 2014

Von Solidarität, Nachsicht und Heroen

Von Solidarität, Nachsicht und Heroen - Von Philipp Heine


Einst waren mit der Lenkung eines Staates noch Glanz und Ruhm verbunden. Marmorne Statuen, Triumphbögen und Paläste sind die ewigen Zeugen dieser großen Zeiten und Menschen. Doch die Welt von heute ist sachlich und undankbar geworden. Außer Anzug, Krawatte und einer Sprechstunde im Bürgerbüro gibt es nichts, was auf die Verantwortung, auf die Mühen und auf das Leid eines modernen Volksvertreters hinweist. Schwer ist es geworden, Zeitloses und Geniales zu hinterlassen, das die Geschichtsbücher von morgen füllt. Steht man vor dem Kolosseum oder dem Tempel von Karnak, dann erkennt man, wie klein wir doch geworden sind. Doch es gibt noch Heroen, die es auf sich nehmen, der Nachwelt den Beweis unseres Könnens zu erbringen und zugleich Nützliches zu errichten. Nur mit List ist es ihnen möglich, die ewigen Neinsager zum Einlenken zu bringen: Indem man Kostenvoranschläge minimiert und an das Selbstwertgefühl des Bürgers appelliert, können auch heute Weltwunder geschaffen werden. Man denke an den unterirdischen Bahnhof von Stuttgart oder den leisesten Flughafen der Welt in Berlin oder die schwimmende Philharmonie in Hamburg. Natürlich muss man, wenn man Teil der architektonischen Weltgeschichte sein will, auch verzichten können. Schlaglöcher, Staus und bröckelige Schulen sind jedoch nur ein kleiner Preis, um in der Liga von Nero oder Ramses II. mitspielen zu können. Doch Weitsicht und Ratschluss der Parlamentarier sind groß:

Selbst das kleinste Schlagloch raubt ihnen den nächtlichen Schlaf. So ist es nur folgerichtig, den Bürger, der für sein Erspartes sowieso keine Zinsen bekommt und der sich selbst dann einen Flachbildfernseher und Pay-TV leisten kann, wenn er Hartz IV bezieht, um seine mehr als gerechtfertigte Solidarität zu ersuchen. Oder wollen die Menschen gar den Beweis antreten, dass sie unsolidarisch, egoistisch und nicht am Erblühen unserer Nation interessiert sind?

Sind die Menschen so kleinlich und verbohrt, dass sie unabhängige Prüfungskommissionen fordern, die Großprojekte auf technische und finanzielle Machbarkeit prüfen, bevor sie verabschiedet werden? Ist es nicht auch für sie einleuchtend, ja alternativlos, die unglaubliche Kompetenz, Willensstärke und Verantwortung der Politiker anzuerkennen und mit einem angemessenen Salär zu honorieren, das bis vor Kurzem noch einer Beleidigung glich?

Der Pöbel ist immer undankbar, egal, ob er mehr oder weniger Steuern an den Fiskus zu entrichten hat. Die Kinder und Kindeskinder werden die Leistungen der Altvorderen umso mehr zu schätzen wissen, wenn sie mit großen Augen und offenen Mündern durch Stuttgart 21 schreiten und staunend fragen „Papa, das hast alles Du gemacht?“.

Wie soll man der Welt zeigen, dass Marktwirtschaft, Demokratie und Aufklärung sich nicht nur lohnen, sondern sogar überlegen sind, wenn die Diktatoren und Unterdrücker in Burgen und Palästen residieren, und sich der deutsche Volksvertreter morgens im Fiat 500 zu seinem Kleinbüro in einem muffigen Altbau aufmachen muss?

Natürlich kann es vorkommen, dass, wo gehobelt wird, auch Späne fallen. Nicht jedes Großprojekt entsteht reibungslos. Doch auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Wie viele Milliardenprojekte entstehen tagtäglich, ohne es in die Schlagzeilen zu schaffen. Natürlich werden auch Fehler gemacht. Auch ein großer Mensch ist letztendlich nur ein Mensch. Wenn man Neues und Innovatives schaffen will, sind Fehler vorprogrammiert. Man braucht Fehler geradezu, um aus ihnen zu lernen. Um ein aufgeklärter, solidarischer und humanistischer Mensch zu sein, bedarf es auch der Tugend der Nachsicht und der Verzeihung.


Jeder vernünftige Mensch muss auch erkennen, dass durch staatliche Bauprojekte nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen werden: Über Jahre werden deutsche Ingenieure, internationale Leiharbeiter und Subunternehmer und zahllose Mitarbeiter von TÜV und Mängelbeseitigungsfirmen in Lohn und Brot gehalten.

Mein abschließender Appell lautet also: Seien Sie den Vertretern der politischen Klasse gegenüber solidarisch und gehen Sie mit ihnen so mitfühlend und nachsichtig um, wie das Finanzamt mit Ihnen!

Ich wünsche Ihnen, dass Sie erkennen, Teil einer großen

Geschichte zu sein!


Philipp Heine

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