Wie das Sammeln die Balz verdrängte - Von Philipp Heine
Wie der
possierliche Paradiesvogel mit seinen bunten Federn und lustigen Tänzen, so
warben auch die Menschen einstmals um die Gunst potentieller Partner: Der Mann
stählte seinen Körper, benetzte ihn mit Moschusdüften und schmückte sich mit
Attributen, die von Macht, Vitalität und Wohlstand kündeten. Die Frau ihrerseits
legte süße Düfte auf, gewandete sich mit schönen Kleidern, die einen Hauch von
wohldosierter Erotik durchscheinen ließen und übte sich in der Verbreitung
reizender Weiblichkeit. Bei geselligen Veranstaltungen trafen die Werbenden
aufeinander und erprobten gegenseitig ihre Gewandtheit im Umgang mit Geist und
Körper. War man sich einig, so übernahmen körperinterne Schmetterlinge das
Ruder und das Leben in Zweisamkeit nahm seinen Lauf.
Schaut man
sich heute um, so denkt man auf den ersten Blick, dass alles seiner üblichen Wege
geht und nur äußere modische Feinheiten sich gewandelt haben. Doch auf den
zweiten Blick sind merkwürdige Abwege erkennbar. Zwar bemühen sich beide
Geschlechter um Attraktivität, doch scheint dies mehr und mehr aus Gründen der
Selbstverwirklichung zu geschehen, als um dem anderen Geschlecht zu gefallen.
Mit der durchaus berechtigten Erkenntnis der Damen, dass ihre traditionelle
Rolle sie benachteiligt und in der Freiheit beschränkt, geht eine neue,
tendenziell negative Sicht auf den Mann einher, die dramatische Auswirkungen
auf das Werbeverhalten des homo sapiens
sapiens nach sich zieht: Die einst erfolgreiche Zurschaustellung von pulsierender
Männlichkeit wird heute mit einem Naserümpfen und demonstrativ leerem Blick
quittiert. Männer, die ihre körperliche Fitness zeigen, Autos fahren, die
tatsächlich sportlich und schön sind, und auf betont aufreizende Kleidung Wert
legen, tragen das Stigma des Proleten oder Schnösels. Frauen, die den alten Techniken
die Treue halten, müssen mit dem Ruf einer unemanzipierten Schlampe leben.
In Schach
gehalten von medialer Beeinflussung und gesellschaftlicher Konvention bemühen
sich die modernen Westeuropäer, ihre smarte politische Korrektheit zu
untermalen, indem sie sich modische Neuheiten gefallen lassen, die genau das
betonen, was in den letzten Jahrtausenden Inbegriff des Unschönen war: Die
Vertreterinnen der Weiblichkeit tragen mitunter Kleider, die ihre enge Verwandtschaft
zum Jutebeutel deutlich erkennen lassen, färben sich die Haare rot, was bis vor
kurzer Zeit eindeutiges Anzeichen für Hexerei oder Chromosomenmutation war, und
tätowieren sich wie neuzeitliche Seebären. Die Herren der Schöpfung tragen
paläolithische Bartmoden, Nerdbrillen und fahren Fahrrad oder Renault Clio (was eindeutig die schlechtere
Wahl ist).
Trotz der
Abkehr von der Absicht, dem anderen Geschlecht gefallen zu wollen, ist die Lust
am Mode-Shoppen erstaunlicherweise ungebrochen. Mit geradezu erotischer Wollust
strömen die Vertreter aller Geschlechter in die Modehäuser oder lassen den Onlinehandel erblühen. Doch wem
will man gefallen?
Die Werbung
gibt uns Aufschluss: Seit Jahren wird die moderne Frau gebetsmühlenartig
aufgefordert, so zu sein, wie sie ist, an sich zu denken und sich selbst zu
verwirklichen. Seifenopern stellen der zeitgemäßen Dame ein obligatorisches Kränzchen
von Freundinnen an die Seite, das sie berät, unterstützt, mit ihr konkurriert,
streitet und sich am Ende wieder verträgt. Der Spiegel und das Kränzchen sind
das Publikum der immerwährenden Modeschau. In abgemilderter Form spielt sich
ähnliches auch bei den modernen Herren ab.
Eine Folge
dieses kränzchenorientierten Konsums ist das Entstehen von Sammlungen. Kleiderschränke,
die zunehmend begehbar sind, füllen sich mit genau einmal getragenen
Kuriositäten, die sowohl teuer als auch - in den meisten Fällen - für das andere Geschlecht unfassbar hässlich
sind. Diese Sammlungen, deren Wert nicht an der Werbewirksamkeit, sondern am
Vorhandensein spezifischer Marken bemessen wird, entwickeln einen stetig
zunehmenden Selbstzweck. Während Madame Handtaschen und Schuhe hortet, umgibt
sich Monsieur mit Uhren, Hemden und Mangel an Selbstbewusstsein.
Resultat
dieser Entwicklung ist die stetig wachsende Unfähigkeit, Beziehungen
erfolgreich zu beginnen und dauerhaft am Leben zu erhalten. Trennungsraten und
der wachsende Zulauf bei Dating-Seiten im Internet sprechen eine klare Sprache.
Doch es
besteht Hoffnung: Der Irrsinn ist nicht genetisch. Der Wille zum Beeindrucken
des anderen Geschlechts ist nur kulturell verdrängt und schlummert dicht unter
der Oberfläche. Den Beweis für diese These treten all jene Machos an, die dank
Ignoranz oder unbändigem Ego das Proletenimage auf sich nehmen und mit
verblüffendem Erfolg Damen aller Art in Begattungsstarre versetzen.
Ich wünsche
uns allen, dass das Bekenntnis zur wahren Schönheit wieder salonfähig wird, so
dass es nicht mehr immer die Idioten sind, die die hübschesten Mädels im
Sportwagen zum Ort des Geschehens chauffieren.
Philipp
Heine
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen